Fast hätte ich selbst reingebissen in die getrockneten Büffelhappen. Auf der schlicht designten Verpackung steht: keine Konservierungsstoffe, keine Farbstoffe, feinstes, reines Muskelfleisch, „das besonders naturbewusste Feinschmecker verwöhnt“. Leider sind die Snacks für Hunde gedacht, wobei auch meine ein Jahr alte Labradorhündin aus der Zielgruppe fällt: Sie ist weder eine Feinschmeckerin noch naturbewusst. Überhaupt stellt sie keine besonders hohen Ansprüche an Kost und Unterhaltung. Ihre Lieblingsspielzeuge sind vergammelnde Plastikflaschen, die sie unter Mülleimern findet. Die knistern so toll, wenn man draufbeißt. Nicht alle Hunde sind so abgebrüht wie Balou. Ich habe mal einen Ridgeback getroffen, der Matsch so eklig fand, dass er bei Regen mit den Pfötchen immer schön auf den asphaltierten Wegen blieb. Und ich kenne einen Terrier, der kein Trockenfutter mehr anrührt, seitdem er einmal Frischfleisch bekam. Trotzdem scheinen die meisten Hunde eine Devise zu teilen, wenn es um Futter und Spielzeug geht: Je stinkiger, desto besser.
Stetig wachsende Branche
An dieser Stelle kollidieren die Ansprüche meiner Hündin mit meinen. Ich kann mich an einem handgeknüpften Halsband erfreuen, sie springt damit in die nächste Matschpfütze. Ich schaue mir Hundebetten im Internet an, stelle mir vor, wie gut sie zur Einrichtung passen würden – und weiß, dass Balou trotzdem auf dem Teppich liegen wird und ich niemals auf "Jetzt kaufen" klicken werde. Ich liebe den Hund, aber er ist halt auch ein bisschen eklig. Er benutzt seine Zunge gleichzeitig als Serviette, Klopapier, Waschlappen und Essbesteck. Er hinterlässt überall Dreck und Haare, und sein Sabber hat die Konsistenz von tödlichem Waranspeichel. Ich wäre verrückt, wenn ich das Tier auf ein 400 Euro teures Kissen betten würde. Nicht alle sehen das so. Die Branche des luxuriösen Hundezubehörs wächst stetig. Schon 2013 erkannte das Frankfurter Zukunftsinstitut die zunehmende Investition in Haustiere als Megatrend. Besonders Hunde werden als vollwertige Familienmitglieder angesehen, die mit Therapeuten, Fitnesstrainern, Designerklamotten und Edelfutter umsorgt werden.
Das Phänomen, bei dem Bedürfnisse und Ansprüche von Hunden den menschlichen gleichgesetzt werden, nennt man "Humanization", also die Vermenschlichung des Tieres.
Für uns nehmen Selbstoptimierung und Individualisierung einen großen Stellenwert ein – das übertragen wir jetzt auf unsere Hunde. Labels und Concept-Stores haben sich also des maßgeschneiderten Hundelebens angenommen – mit einem Designanspruch, der weit über niedliche Drucke und bunte Farben hinausgeht: Kauknochen, die dem Atelier von Jeff Koons entstammen könnten. Burberry-Mäntel, Kotbeutelbehälter aus Leder, Teakholzbetten.
Wo verläuft die Grenze zwischen übertriebener Hunde-Fürsorge und Missbrauch?
Leider dient die zusätzliche Aufmerksamkeit nicht immer dem Wohl des Tieres. Ob die Malteserhündin des thailändischen Schmuckdesigners Riwin Jirapolsek sich gefreut hat, ein 4,2 Millionen US-Dollar teures Krönchen zu tragen, wage ich zu bezweifeln. Natürlich ist nicht aller Konsum so abgedreht, oft befriedigt er solide Bedürfnisse wie die Ernährung. Immer mehr Menschen schaffen sich Tiere an, in fast jedem zweiten deutschen Haushalt lebt eines – und der Umsatz mit Hundefutter in Deutschland wächst stetig: 1,5 Milliarden Euro gaben die Deutschen 2019 dafür aus. Und 215 Millionen obendrauf für Zubehör und Bedarfsartikel. Und dieser Bedarf wird immer spezieller: Es gibt abgestimmte Mischungen für Allergiker, Dicke, Rheumatiker, Hochleistungssportler, Nierenkranke. Dazu Nahrungsergänzungsmittel, Superfoods, Diätpulver und Öle – etwa mit Cannabisanteil für die nervösen Zeitgenossen. Ganz zu schweigen vom kosmetischen Angebot, das von Feuchttüchern mit Aloe vera bis hin zur Pfötchencreme reicht.
Die Hersteller feuern den Konsum an, indem sie die Seele des Hundebesitzers an empfindlicher Stelle berühren: exakt dort, wo die Sorge sitzt, der Hund könnte in der eigenen Obhut Schaden erleiden. Beim Kauf von individuell abgemischtem Low-Carb-Tierfutter fragt sich vielleicht mancher, ob der Hund nicht auch mit einer Dose "Rinti" zufrieden wäre. Der Wolf von früher musste sich mit weniger begnügen. Doch dann ist da diese Ungewissheit … Gut möglich, dass der Hund auch ohne Vitamin-C-Präparat zufrieden wäre. Aber wenn ein wenig Extra-Investment das Risiko einer Krankheit minimieren kann, welcher Unmensch würde diese Chance nicht ergreifen? Vorsorge ist besser als Nachsorge. Der Büffelsnack-Hersteller spricht konsequent von "Liebling", wenn er "Haustier" meint, und appelliert damit an diesen Instinkt. Denn in "Liebling" steckt die Liebe, und was du liebst, musst du beschützen – vor Gluten, Weichmachern und künstlichen Konservierungsstoffen.
Mich hat es auch erwischt. Balou bekommt jeden Tag einen Teelöffel Bio-Chlorella-Pulver zu ihrem Wildragout – weil das den empfindlichen Augen helfen soll.
Leberwursteis und Algenpulver
Insofern ist Balous Lifestyle gar nicht so weit weg von gesundheitsbewussten Menschen, die sich morgens Algen in ihren Smoothie mischen. Aber wo verläuft die Grenze zwischen übertriebener Fürsorge und Missbrauch? Die Übergänge sind fließend. Über Leberwursteis freut sich wohl jeder Hund. Ob er Algenpulver frisst oder auf einem Designerbett schläft, ist ihm wahrscheinlich ziemlich schnuppe. Aber wer dem Hund Klunker umhängt, ihm das Fell färbt und sein Outfit wechselt wie bei einer Barbie, der beraubt ihn seiner natürlichen Lebensweise. Solange der Hund keinen Schaden nimmt, hat die übertriebene Hundefürsorge etwas Putziges.
Erwachsene Frauen und Männer, die in Hundeboutiquen abhängen, Prosecco trinken und sich darüber unterhalten, wie gut das Lavendel-Kissenspray dem Hund beim Einschlafen geholfen hat. Sie spendieren den "Lieblingen" noch einen von den zuckerfreien Muffins, die jeden Tag frisch in der hauseigenen Hundebäckerei zubereitet werden, und packen ihn dann in die Tragetasche mit Fake-Fur-Einlage. Wenn sie Zeit und Geld für diesen herrlichen Unsinn haben – warum nicht? Wahrscheinlich würde ich mich auch zum Kauf eines handgenähten Kauspielzeugs aus hundert Prozent Biobaumwolle mit pädagogisch wertvollen Holzelementen überreden lassen. Zu Hause würde Balou es ignorieren und sich ausgelassen dem Verpackungskarton widmen. Das ist okay. Denn ich wüsste ja, ich habe das Spielzeug eigentlich für mich gekauft.